1931 - 1940
Mit Schreiben vom 6. Februar teilte Rektor Burri dem Burgerrat mit, dass Herr Arnold Gugelmann der Sekundarschule einen Betrag vom 30‘000 Fr. für den Bau einer Sternwarte schenken wolle. Diese grosszügige Spende zeigte neue Möglichkeiten für den Umbau des Mittelteils des Schulhauses auf. Handfertigkeitsräume im Keller, Naturkunde und Sammlung in einem zusätzlichen Stockwerk und eine Terrasse für die zukünftige Sternwarte. Die Erhöhung des Mittelbaus inklusive die Erstellung der Terrasse erforderte nur Mehrkosten von 33‘000 Fr.
Die Sekundarschule befand sich aufgrund grösserer Schülerzahlen und neuer Fächer zu dieser Zeit in einer Erweiterungphase. In einer ersten Phase wurde ab dem 1. April 1930 der Westanbau in Angriff genommen. Gerade rechtzeitig nach auf fünf Wochen verlängerten Frühlingsferien konnte 1931 der Westflügel in Betrieb genommen werden. Nicht zuletzt auf Grund der Sternwartenschenkung musste der Grosse Gemeinderat über die Bücher gehen. Die Bauarbeiten wurden vorerst eingestellt. 1932 wurde dann im alten Schulhausteil der Ausbau des Kellers zu Handfertigkeitsräumen realisiert. In seiner Botschaft vom 30. Mai begründete der Grosse Gemeinderat die Notwendigkeit des Ostflügels und den restlichen Um und Ausbau des Mittelbaus. Baubeginn des Ostflügels war der 11. September 1933. Beim anschliessenden Umbau des Mittelteils zwangen gravierende Schäden der Tragbalken der Bodenkonstruktion zu einer Auskehlung und einem Neubau der Bodenkonstruktion. Im Frühjahr 1935 konnten sowohl der dritte Stock mit Naturkunde und Sammlungraum bezogen und auch die neu erstellte Terrasse mit ihrem unvergleichlichen Rundblick betreten werden. Auf der Terrasse hatte man für die zukünftige Sternwarte bereits das Fundament erstellt.
Da der Schule nur der Brief von Herrn Gugelmann vorlag, musste man 1935 eine verbindliche Rechtsform, Stiftung Sternwartenfonds der Sekundarschule Langenthal, schaffen. In diesen Fonds zahlte der nachmalige Dr. hc. den versprochenen Betrag ein. Die Stiftungsurkunde datiert vom 20. Juni 1935 und fiel mit der Jahrhundertfeier der Sekundarschule Langenthal zusammen.
Treibende Kraft für den Bau der Sternwarte war der Geografielehrer Dr. Fritz Gygax. Er hatte sich bei Professor Sigmund Mauderli an der Uni Bern zusätzlich in Astronomie weitergebildet. Die beiden setzten sich trotz des bereits bestehenden runden Fundaments für den Bau einer Schiebedachsternwarte ein. Der Stiftungsrat entschied sich aber für die Kuppelversion. Mit Schreiben vom 23.11.1938 bestellte er bei Carl Zeiss in Jena den 130mm Refraktor mit dem nötigen Zubehör zu einem Gesamtpreis von R.M. 7‘500. Dazu kamen die Kosten von Fr 2‘300 für den Kuppellaufkranz. Im Herbst 1939 konnte die Anlage in Betrieb genommen werden. Leider verhinderte der Ausbruch des zweiten Weltkriegs die Einweihung im Jahre 1939. Der Winter 39/40 war sehr nass und kalt. Zudem stellte sich heraus, dass das Reich noch nicht auf einen grossen europäischen Krieg vorbereitet war. Es kam zum drôle de guerre.Grössere Teile des helvetischen Heeres konnten entlassen werden. Deshalb konnte die Sternwarte am 24. Januar 1940 im Beisein von ca. 200 Gästen eingeweiht werde.
1941 - 1990
Erster Leiter der Sternwarte war Dr. Fritz Gygax. Für die nächsten 39 Jahre führte Max Frey Schüler und Besucher in die Geheimnisse des Nachthimmels ein. 1985 übernahm dann Dr. Hans Scheidiger, Lehrer am Technikum Burgdorf, die Führung weil Rektor Bussard offenbar im Lehrerkollegium der Sekundarschule keinen Nachfolger für Max Frey fand. Ueli Aeschlimann, Physiklehrer am Gymnasium unterstützte Hans Scheidiger bei den Führungen. 1988 stiessen Primarlehrer Fredy Wenger und ein Jahr später Max Weber zum Leiterteam. Mit letzterem war damit wieder dem aus dem Jahre 1941 stammenden Reglement der Schulsternwarte Langenthal Genüge getan.
1945 übernahm Hans Gugelmann von seinem Vater Arnold für 36 Jahre das Präsidium der Stiftung und übergab es 1981 seinem Sohn Marc Gugelmann.
1991 - 2014
Der durch die beiden Physiker eingeleitete Ausbau der Möglichkeiten der Sternwarte wurde konsequent weiter geführt. 1991 wurde ein 80mm Binokular mit Stativ und Einrichtung zur Zenitbeobachtung für 1'590 Fr. beschafft. Seit 1993 wurde auf der Sternwarte der private Laptop des Leiters eingesetzt. Damit entfiel die bisherige umständliche Prozedur mit Sternzeituhr, Sternkarte und Planetentabellen. Stundenwinkel und Deklination lieferte nun das Programm auf dem PC. Im Dezember 1994 wechselte die Firma von Hans Füglistaller sowohl die Tragkugeln der Kuppel wie auch die infolge falscher Montierung beim Bau unrund gewordenen Rollen der Blende aus. Grosszügigerweise übernahm die Stadt diese Kosten. 1995 wurde der altersschwach gewordene Nachführmotor durch einen computergesteuerten Schrittmotor ersetzt. Federführend dafür war Hans Scheidiger. Die Kosten wurden durch die Stiftung übernommen. Im Jahre 2000 konnte das schwere LX200 12-Zoll-Spiegelteleskop für den Einsatz auf der Terrasse in Betrieb genommen werden. Die Kosten vom 13‘284 Fr. übernahm freundlicherweise die Stadt Langenthal. Ab 2004 kam der private Beamer des Sternwartenleiters bei den Multimediapräsentationen zum Einsatz. Dank einer Zuwendung des Sekundarschulvereins konnte die Sternwarte 2004 einen eigenen Laptop anschaffen. Im März 2007 durfte der neue Leiter Bernhard Christen einen Beamer für die Sternwarte in Betrieb nehmen. 2013 wurde eine digitale Kamera beschafft, deren Einsatz aber durch die ungenügende Rechnerleistung des Laptops beschränkt war.
Neue Aktivitäten wie Ferienpasskurse, 1992 erste Projektwoche Astronomie in der Sekundarschule, zwei Astronomie Kurse für Lehrkräfte im Rahmen der Bernischen Lehrerfortbildung, Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Astronomie Verein „Sternfreunde Oberaargau“ und Ausseneinsätze bei Behindertengruppen, die unsere Sternwarte nicht vor Ort besuchen können, wurden erfolgreich im genannten Zeitraum realisiert.
Fast ein Totalschaden bei der Schulhausrenovation 2013/14
Leider wurden die Verantwortlichen der Sternwarte bei der Planung der Renovation des Schulhauses 2013/14 nicht miteinbezogen. Ursprünglich hiess es, dass die Sternwarte nicht direkt betroffen sei. Nur der Zugang zur Sternwarte sei ab Sommer 2013 nicht mehr möglich. Ab Spätherbst könne der Betrieb wieder aufgenommen werden. Der Termin wurde dann immer weiter hinausgeschoben. Nun erst wurden der Leiter und sein Stellvertreter zur Zusammenarbeit mit dem Elektroplaner eingeladen. Im Februar 2014 standen dann plötzlich zwei grosse Deflektorenhauben für die Abluft auf der Terrasse direkt neben der Sternwarte mit ungeahnten Folgen für die zukünftige Himmelsbeobachtung.
Bei der eilends einberufenen Besichtigung auf der Terrasse beauftragte der damalige Stadtpräsident Thomas Rufener dem zuständigen Architekten alternative Varianten für die Lüftung zu finden, die den weiteren Betrieb der Sternwarte nicht gefährden. Zum Glück war und ist der Stadtpräsident auch Präsident der Sternwartenstiftung und konnte dank dieser Personalunion den Rückbau bzw. Umbau der Hauben anordnen. Die Frischluft für das Schulhaus wird nun tagsüber darüber angesogen, aber nicht mehr bei der Kuppel ausgeblasen.
2015 Modernisierung bis heute
Eine Modernisierung der Schulsternwarte anlässlich des 75-jährigen Bestehens war eine sehr gute Gelegenheit, die Bevölkerung der Stadt und Region Oberaargau auf diese einzigartige Einrichtung aufmerksam zu machen. Auch der Refraktor hatte das Ende seines Lebenzyklus überschritten, die optische Leistung war begrenzt und weitere Reparaturen wären aufwändig und sehr teuer gewesen. Ein Weiterbestehen der Schulsternwarte ohne ein modernes Teleskop wäre schwierig geworden.
Ein glückliche Fügung ermöglichte diese Modernisierung. Ein ambitionierter Amateurastronom und diplomierter Physiker aus Langenthal schenkte der Stiftung seine Teleskope mitsamt der Montierung, Stahlsäule, PC und digitalen Kameras. Diese hatte er drei Jahre lang in einer privaten Sternwarte in Obersteckholz genutzt.
Im Sommer 2018 hat Bernhard Christen nach 11 Jahren die Leitung der Sternwarte an Samuel Anderegg übergeben. Der aktuelle Leiter ist wohnhaft in Langenthal und war massgeblich an der Modernisierung beteiligt. Er ist seit der Primarschule ein begeisterter Amateurastronom und hat 1994 in Bern das Physikstudium mit dem Master abgeschlossen. Er arbeitet tagsüber als Informatiker in der Strombranche.